Haus der Bayerischen Geschichte – Ritter, Bauern, Lutheraner. Katalog zur Ausstellung auf der Veste Coburg 

 

Wenn Bretten das Peter-und-Paul-Fest feiert, dann fällt der Blick dabei auch stets auf die Turbulenz, die in den Jahren um 1504 steckt: Es war eine Ära großer Veränderungen und gewaltiger Umbrüche in vielerlei Hinsicht. Dies wurde auch schon von den Zeitgenossen so gesehen, die sich mitunter hilflos fühlen mussten in einer Welt, die scheinbar aus den Fugen geriet.

Der Buchdruck begann eben erst durchzustarten, Flugschriften – mit Bildern natürlich, dass auch Leseunkundige mitreden konnten – und Kampflieder brachten neue Ideen in die Dörfer und Städte. Die Reichsfürsten konnten ihre Stellung ausbauen, was gerade auf Kosten des niederen Adels geschah, wie er speziell im Kraichgau zu finden war – und außerdem hatte ein Augustinermönch, nennen wir ihn mal „Martin L.“ die Nase voll vom Treiben der Kirche.

Er war damit nicht alleine: Die aus den Fugen geratende Welt ließ die Sorge ums persönliche Seelenheil in den Vordergrund treten, Schenkungen und Stiftungen waren ein übliches Mittel, um im Jenseits Barmherzigkeit erhoffen zu können. Das war grundsätzlich keine neue Erfindung der Jahre um 1500 – schon am 7. Mai 767 hatten beispielsweise ein gewisser Wigilo und seine Frau Hartrud in Bretten ein solches Ansinnen:

„Im Namen Gottes machen wir, Wigilo und meine Gattin
Hartrud, eine Vergabung. Wir weisen sie dem heiligen Märtyrer 'N(azarius) zu, dessen Leib im Lorscher Kloster ruht, dem der ehrwürdige Gundeland als Abt vorsteht. Was wir geben, soll nach unserem Willen für alle Ewigkeit gegeben sein, und wir bekräftigen, dass die Schenkung aus vollkommen freien Stücken erfolgt. Wir übergeben alles, was wir in pago Enzingowe (im Enzgau), und zwar in Breteheimer marca (in der Gemarkung Bretten) an Hofreiten, Wohn- und Wirtschaftsbauten, Wiesen, Wäldern und Gewässern besitzen. Damit ist der Vertrag abgeschlossen. Geschehen in monasterio laurish (amensi = im Lorscher Kloster) am 7. Mai im 15. Jahr (767) des Königs Pippin.“*  

Dass wir damit die älteste Erwähnung Brettens vor uns haben, und deshalb in diesem Jahr 1250. Geburtstag gefeiert werden darf – das nur so nebenbei.

Springen wir in die Zeit um 1500 und die Jahre danach – genauer nach 1517, dem Reformationsjahr. Doch stellt sich dabei die Frage, ob es tatsächlich eine einzige Idee war, die die Welt verändert hat, oder ob nicht die Kritik am Klerus und antirömische Ressentiments in einer Art Spirale eine „re-formatio“ im Sinne des „den ursprünglich, als ideal gedachten Zustand wieder herstellen“ in Gang setzte. Immerhin sahen nicht wenige Landesherren die Chance, ihre Staatlichkeit auch durch ein landesherrliches Kirchenregiment zu realisieren – und schon wären wir bei der von den Fürsten getragenen Reformation.

 

Man sieht also: Die Zeit um 1500 – beziehungsweise um 1517, wir wollen mal genau sein – lässt sich gedanklich nicht so einfach greifbar machen. Zu vielschichtig, zu heterogen war die Welt. Und damit wären wir nun endlich beim vorliegenden, mit 30 Euro durchaus preiswerten Katalog zur Bayerischen Landesausstellung auf der Veste Coburg, die zum Reformationsjubiläum ein großes Zeitpanorama zur Epoche im 1500 aufschlägt.

 

Natürlich sind hier die in der Ausstellung gezeigten Exponate wie das Krummhorn aus der Zeit vor 1540, der stählerne Maximiliansharnisch aus den Jahren um 1530, die Stech- und Renneisen aus dem 15. Jahrhundert oder natürlich der 1513 entstandene Dürer-Stich „Ritter, Tod und Teufel“ von Interesse, die im vorliegenden Katalog ausführlich beschrieben werden. Daneben geben aber auch die Aufsätze tiefe Einblicke – allen voran Eberhard Isenmann mit seinem Beitrag zur „Städtischen Lebenswelt um 1500“ oder Johannes Laschinger, der sich mit der „Oberpfalz zwischen Glauben und Landesherren“ beschäftigt. Und schließlich geht es bei Thomas Weschenfelder um die „Lutherveste“ und die „Luthermemoria in Coburg“: Martin L. saß im Sommer 1530 ein halbes Jahr auf der Veste „fest“, weiter nach Süden, weiter nach Augsburg konnte er nicht reisen, stand er doch unter Reichsacht. Immerhin aber konnte er von Coburg aus die in die „Confessio Augustana“ mündenden Verhandlungen zwischen den lutherischen Reichsständen und Kaiser Karl V. per Brief, rund 120 verfasste er insgesamt, dirigieren. Er stand dabei in stetem Kontakt mit seinem Intimus Philipp Melanchthon aus Bretten. Das aber ist eine andere Geschichte.
Wie dem auch sei: Die Coburg als Standort der Bayrischen Landesausstellung 2017 zu wählen, das hat gute Gründe. Nicht nur wegen der in Teilen noch erhaltenen Originalsubstanz aus Luthers Zeit und Privatleben – sondern auch wegen des würdigen Rahmens, den vor allem die „Kunstsammlungen“ der Veste bieten, die übrigens auch jenseits einer Landesausstellung eine Reise wert sind!
Und so gilt heute noch das, was einst Luther zur Coburg zum Besten gab, als er den Festungsberg hinaufgegangen war: „Es ist ein überaus reizender und für Studien geeigneter Ort.“ Je nun – auch in turbulenten Zeiten finden sich eben stille Refugien … 

Haus der Bayerischen Geschichte: Ritter, Bauern, Lutheraner. Hrsg. von Peter Wolf, Evamaria Brockhoff, Alexandra Franz, Fabian Fiedler und Constantin Groth. Theiss Verlag – WBG Darmstadt 2017, 392 Seiten mit etwa 360 farbigen Abbildungen, gebunden, ISBN 978-3-8062-3496-1, 29,95 Euro. 

Informationen zur Bayerischen Landesausstellung 2017 „Ritter, Bauern, Lutheraner“ auf der Veste Coburg, diese läuft noch bis 5. November 2017, finden sich auf der Homepage des Hauses der Bayerischen Geschichte.

* Lorscher Kodex; Urkunde 2393 (7. Mai 767 — Reg. 150). Schenkung des Wigilo in Bretten unter Abt Gundeland und König Pippin (Zitierlink/Permalink (PURL): https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/minst1970bd4/0130).